Weihnachtsgeschichte 2022: Die perfekten Weihnachten
Nach dem im vergangenen Jahr das Weihnachtsfest bei der Familie Staude nicht so verlaufen war, wie sie es sich vorgestellt hatten, war Mutter Christa davon überzeugt, dass sie wohl nur durch Glück wirklich einmal die perfekten Weihnachten erleben würde. Arno, Christas Mann, hatte es zwischenzeitlich aufgegeben, dass es einmal so laufen würde, wie erhofft.
Inhalt
Ein Rückblick
Christa und Arno hatten vier erwachsene Kinder. Auch diese glaubten nicht mehr daran, dass ihre Mutter einmal ihre perfekten Weihnachten erleben würde. Die perfekten Weihnachten, dazu gehörte Schnee, eine klirrende Kälte, eine unglaubliche Weihnachtsdekoration rund um das Haus, ein festlich geschmückter Weihnachtsbaum und die ganze Familie an der langen Tafel bei dem traditionellen Weihnachtsessen der Staudes, Spaghetti mit Soße.
Für den Schnee war gesorgt. Mit viel Aufwand hatten die Staudes eine Schneekanone installiert- selbstverständlich nachhaltig. Die klirrende Kälte konnte zur Not mit schönen Eisbildern auf den Fenstern simuliert werden. Der perfekte Weihnachtbaum wurde schon früh in einer Tannenbaumschonung ausgesucht, vorsichtig aufgegraben und fachmännisch im Garten der Staudes eingepflanzt und erst kurz vor dem Fest geschlagen und in der Guten Stube aufgestellt. Auch für das Essen war gesorgt. Mutter Christa hatte an verschiedenen Stellen im Haus mehrere Proviantpakete deponiert. Auch für die Weihnachtsdekoration war gesorgt. Die Staudes betrieben in der Adventzeit einen mittlerweile berühmten Weihnachtsmarkt auf ihrem Grundstück. Während dieser Zeit erstrahlte der gesamte Weihnachtsmarkt und das gesamte Haus der Staudes in einem wahren Lichtermeer. Die Staudes hatten alle erdenkbaren Weihnachtsdekorationen, die es aufzutreiben gab, aufgetrieben und so erstrahlte alles in den herrlichsten Farben. Auch um die Energiekosten mussten sie sich keine Sorge machen. Arno hatte bereits vor einiger Zeit eine eigene Stromversorgung aufgebaut.
„Ich bin gespannt, was dieses Jahr so alles passiert.“, sagte Arno zu seiner Frau.
Der normale Gang des Jahres
Tatsächlich konnte die Familie Staude im Laufe des Jahres noch nicht erahnen, was das Weihnachtsfest ihnen in diesem Jahr bescheren würde.
Malte, der älteste Sohn, war ein Langzeitstudent, wie es in wohl selten gibt. Er studierte Jura, zumindest war er dazu in der Uni eingeschrieben. Tatsächlich ging er dort nur sehr sporadisch hin. Er hatte mittlerweile erkannt, dass man sein Geld auch mit vermeintlich nutzlosen Dingen verdienen konnte. Von seinem Bruder Alex, ein unfassbar schlauer Eierkopf, hatte er erfahren, dass man mit Videos im Internet Geld verdienen konnte. Alex, der Mathematik und Informatik studierte, hatte einen entsprechenden Kanal auf einer der bekannten Internetforen. Alex hatte Malte hiervon unterrichtet und er schaute sich darauf hin die Lehrvideos seines Bruders an. Inhaltlich verstand er davon nichts. Daraus machte er gegenüber Alex auch keinen Hehl. Als er jedoch erfuhr, dass Alex für jedes Video und für den Zuschauer Geld bekam, wurde er hellhörig. Er bat Alex, ohne diese weiter zu erklären, ihm auch einen solchen Kanal einzurichten.
Die Staudes hatte noch die Tochter Anna. Anna war bildhübsch und sich dessen auch bewusst. Sie hätte sicherlich auch mit einem Beautykanal viel Geld verdienen können, aber das war ihr zu anstrengend. Sie hatte erkannt, dass es sich auszahlen konnte, wenn man mit Profifußballern ins Gespräch kam. Und so kam es, dass sie einen Profifußballer eines großen Fußballclub um den Finger wickeln konnte. Fortan war sie Spielerfrau und jettete mit Ihrem Freund durch Fußballeuropa. Zum ersten Mal hatte Arno nichts dagegen. Wann immer es möglich war, bekamen und Malte Freikarten. Gerne begleitete die beiden dann auch Opa, Arnos Schwiegervater.
Die weitere Tochter Sabine war noch immer glücklich mit ihrem Chris. Ein Taugenichts, wie Arno fand. Aber immerhin kümmerten sich Sabine und Chris nunmehr um den Weihnachtsmarkt und so hatte die beiden wenigstens in ein paar Wochen des Jahres etwas zu tun. Ansonsten wurde die beiden großzügig durch Oma, Christas Mutter, unterstützt.
Der Videokanal
Nachdem Alex den Kanal eigerichtet hatte, sprach Malte Chris darauf an, ob er Interesse habe, an seiner Superidee mitzumachen. „Worum geht es?“, fragte Chris, durchaus interessiert. „Ich will mit unseren Tieren kleine Kunststücke einüben. Die zeigen wir dann auf unserem Videokanal und werden reich!“, entgegnete Malte. Chris war begeistert.
Familie Staude hatte zwei Tiere. Zum einen war dort die Hausgans Staude. Staude war zu dem Staudes gekommen und sollte das Weihnachtsgans im Ofen enden. Doch, als es soweit war, konnte keiner diesem Tier etwas zu Leide tun. Staude wurde verschont und lebte fortan als Familienmitglied bei den Staudes. Seitdem gab es im Übrigen auch Spaghetti und Soße zum Festschmaus am Heiligen Abend.
Einige Zeit später war noch Stromer eingezogen. Stomer war ein aufgeweckter Mischlingshund. Keiner konnte sagen, welche Rassen alles in ihm steckten. Beide Tiere war jedoch sehr gelehrig und so kam es, dass Malte und Chris den beiden Kunststücke beibrachten und die Videos veröffentlichten. Zunächst war der Erfolg eher überschaubar. Dieses änderte sich jedoch, als die beiden in ihr Logo ein süßes Katzenfoto aufnahmen. Katzenfotos zogen immer. Schlagartig vergrößerte sich der Kreis der Zuschauer und tatsächlich fingen die beiden an, mit ihrer Arbeit, wie die beiden es nannten, Geld zu verdienen.
Sie dachten sich immer neue Tricks aus und übten diese mit den Tieren ein. Mal ritt Staude auf Stromer durch den Garten und Stromer sprang dabei über Hürden, mal konnten die beiden Müll sortieren. Auch konnten sie eine Vielzahl von Befehlen ausführen. Arno und Christa waren richtig stolz auf ihren Sohn. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten war, dass Malte bei seinen Streifzügen durch das Haus auf das geheime Kerzenversteck seiner Mutter gestoßen war. Christa mochte echte Kerzen am Weihnachtsbaum. Daher besorgte sie diese immer schon früh im Jahr und versteckte sie. Hieran dachte Malte nicht, als er die Kerzen fand. Wunderbar, dachte er, damit lässt sich doch bestimmt ein super Trick kreieren. Und tatsächlich hatten er und Chris eine Superidee. Im Ergebnis blieb festzuhalten, dass die Idee zwar super war, die Umsetzung jedoch nicht. Nach dem Staude bei dem Üben einige versenkte Federn lassen musste und Stromer eine kahle Stelle am Rücken hatte, ließen sie von der Idee ab. Was sie nicht bedachten war, dass sie neue Kerzen besorgen mussten.
Die bösen Zuschauer
Auch ohne die Supernummer wurde der Kanal immer erfolgreicher. Dieses führte dazu, dass sich dieser nicht nur von Tierfreunden angesehen wurde, sondern auch schmierige Rechtsanwälte, die ihr Geld mit der Abmahnung anderer Leute verdienen, schauten sich diesen erfolgreichen Kanal genau an. So kam es wie es kommen musste. Im September flatterte Malte ein anwaltliches Abmahnschreiben ins Haus. Bei der Auswahl des süßen Katzenfotos hatte er nicht bedacht, dass dieses urheberrechtlich geschützt sein könnte. Er wurde zur Abgabe eine Unterlassungserklärung und zur Zahlung eines erheblichen Schadenersatzes aufgefordert. Zunächst ignorierte er selbstverständlich dieses Schreiben. Er hatte den Sachverhalt mit seinem rudimentären juristischen Wissen geprüft und kam zu dem Ergebnis, dass er nichts falsch gemacht hatte. Ein Irrglaube.
Drei Wochen später flatterte ein Schreiben des Landgerichts in Haus. Glücklicherweise fiel dieses Arno in die Hände. Er schleifte Malte und Chris mit zum Anwalt und nach kurzer aber deutlichen Ansprache des Anwalts, erkannte Malte seine juristische Mindermeinung in diesem Fall.
Durch die Einschaltung des Gerichts und der Tatsache, dass Malte auf die Abmahnung nicht reagiert hatte, war der nunmehr zu zahlenden Betrag horrend hoch. Nachdem der Kläger seinen Schadenersatz bekommen hatte, das Gericht sein Geld bekommen hatte und die Anwälte ihre Rechnungen geschrieben hatten, blieb von dem bisherigen Gewinn nicht mehr übrig.
Die guten Zuschauer
Auch wenn der finanzielle Erfolg des Videokanals nun dahin war, hatte dieser für Malte, zumindest zunächst, immerhin einen persönlichen Erfolg. Eine Zuschauerin wandte sich im Chat an Malte und schrieb ihm, dass sie ganz begeistert war, von den Tricks, außerdem fand sie Malte richtig süß. Es entwickelte sich eine längere Schreiberei und nach einiger Zeit trafen die beiden sich. Die nette junge Dame hieß Merle und wohnte in der gleichen Stadt. Aus dem Chat hatte Malte bereits erfahren, dass sie eine süße kleine Pudeldame hatte.
Malte war vor dem ersten Treffen ziemlich aufgeregt. Bislang hatte er bei den Damen nicht so viel Erfolg gehabt. Doch das erste Treffen lief gut. Die beiden verstanden sich und verabredeten sich erneut. Zu dem nächsten Treffen sollte Malte doch gerne Stromer einmal mitbringen. Und so kam es, dass die beiden sich das nächste Mal mit ihren Hunden trafen. „Du Malte“, sagte Merle zu ihm, „meine Pudeldame Cindy ist gerade läufig. Müssen wir aufpassen oder ist Stromer kastriert?“ Malte hatte keine Ahnung, ob Stromer kastriert war oder nicht. „Aber sicher ist er das!“, behauptete er ins Blaue. Tatsächlich interessierte ihn das nicht sonderlich. Und so kam es, dass die beiden ihre Hunde im Wohnzimmer ließen und sich selbst in ein anderes Zimmer begaben. Am nächsten Morgen gingen Malte und Stromer glücklich nach Hause.
Malte und Merle trafen sich noch an den nächsten Tagen. Nach einer Woche, fragte Merle ihn jedoch, ob er sich ganz sicher sei, dass Stromer kastriert sei. Sie habe nämlich das Gefühl, dass Cindy schwanger sei. „Das kann doch gar nicht sein.“, sagte Malte. Allerdings war er sich seiner Sache nun doch nicht mehr so sicher. Und so fragte er Christa und musste erfahren, dass er mit seiner Annahme vollkommen daneben lag. Doch anstatt sich seiner Verantwortung zu stellen, brach der den Kontakt mit Merle lieber ab.
Der Heilige Morgen
Der Weihnachtsmarkt bei den Staudes war wieder ein voller Erfolg gewesen. Sie verkauften Unmengen an Spezereien, Glühwein und Bratwürstchen. Malte und Chris hatten ihren Videokanal auf Eis gelegt, da sie auf dem Weihnachtsmarkt gebraucht wurden. An Merle und die Pudeldame Cindy dachte Malte nicht mehr, vielmehr versuchte er die Gedanken zu verdrängen.
Am Morgen des Heiligen Abend kam Alex nach Hause. Als besondere Überraschung hatte er Anna im Gepäck. Sie war gerade mit ihrem Fußballprofi in der Stadt von Alex gewesen, als sie feststellen musste, dass es noch andere Frauen als sie gab. Ihr kickender Freund hatte sich auf einem Weihnachtsball mit einer anderen Frau vergnügt und Anna eiskalt stehen lassen. So kam es, dass sie Alex aufsuchte und die beiden nach Hause fuhren.
Auch Oma und Opa waren bereits da. Bislang sah es noch nach einem perfekten Weihnachten aus. Tatsächlich war es kalt und es hatte auch geschneit. Arno hatte den Weihnachtsbaum bereits abgesägt und in das Wohnzimmer gebracht. Die ganze Familie half beim Schmücken der riesigen Tanne. Malte war drei Lichterketten um den Baum und Alex brachte 43 Kerzenständer an. Gerade als Christa an ihr Geheimversteck gehen wollte und die Kerzen holen wollte, klingelte es an der Tür. „Hier“, rief Merle Malte zu, der die Tür geöffnet, „0das sind auch deine. Sieh zu, wie du damit fertig wirst! Ich bin jetzt erst einmal im Weihnachtsurlaub“ Sie wies noch auf eine große Wurfkiste. Diese hatte sie vor der Tür abgestellt. In der Kiste saßen Cindy und vier süße kleine Welpen. „Was hat das denn nun zu bedeuten?“, fragte Christa scharf. Malte musste nun beichten was ihm passiert war. Gemeinsam brachte man die Wurfkiste in das Wohnzimmer und kümmerte sich zunächst um die Welpen. Stromer und Staude waren über den Familienzuwachs ganz verzückt.
So ging der Tag dahin und Christa vergaß sich um die Kerzen zu kümmern.
Heilige Abend
Mittlerweile war es dämmerig geworden, die Geschäfte hatte geschlossen. Auch der Weihnachtsmarkt hatte seine Pforten geschlossen und die Familie Staude bereitete sich auf die Bescherung vor. Noch immer sah es nach dem perfekten Fest aus. Die Welpen waren so neugierig und knabberten an den untersten Ästen der Tanne, dennoch verlief noch alles nach Plan. Die Frauen holten die Geschenke und legten sie unter den Baum, die Männer standen in der Küche und schalteten gerade den Herd an, um die Spaghetti und Soße zu kochen, als ein großer Knall zu hören war. Schlagartig ging im ganzen Haus das Licht aus und auch der Herd funktionierte nicht mehr. „Nanu“, sagte Arno. Alex war zum Fenster gelaufen und sah, dass in der ganzen Straße die Lichter aus waren, alleine die Beleuchtung des Weihnachtsmarktes und des Hauses waren noch an. „Stromausfall. In der ganzen Stadt. Alleine unser Stromgerät scheint noch zu funktionieren“, sagte Alex. „Dann stellen wir unser Stromgerät so ein, dass wir im Haus Strom haben.“, beschloss Arno. Er machte sich auf den Weg zum Stromgerät und fummelte an den Kabeln rum, als er hinter sich Blaulicht wahrnahm. Ein Streifenwagen hielt auf dem Grundstück und der Bürgermeister stieg aus. „Herr Staude, sie sind unsere letzte Hoffnung. Der Strom ist in der ganzen Stadt ausgefallen und wird erst in ein paar Stunden wieder funktionieren. Sie müssen uns helfen. Bitte schließen sie ihr Stromgerät so an, dass zumindest die Straßenbeleuchtung, dass Pflegeheim und das Krankenhaus mit Strom versorgt wird!“ Dieser Aufforderung konnte sich Arno nicht widersetzen. Nach kurzer Zeit erlosch die gewaltige Weihnachtsdekoration und im gleichen Moment erstrahlten die Straßenlaternen wieder. „Vielen vielen Dank.“, sagte der Bürgermeister und fuhr ab. „Das gibt es doch gar nicht“, stammelte Christa. Ratlos schaute sich die Familie an. Sabine reagierte als erste und fragte, wo die echten Kerzen seien. Nach dem sie dort sorgfältig gesucht hatte, kam sie fragend zurück. „Weg“, sagte sie. Nun musste Malte seine nächste Missetat beichten. Immerhin hatte er dafür Sorge getragen, dass die Kerzen nicht mehr da waren. Christa war nun ganz am Boden zerstört. Nun jedoch reagierte Alex. „Wir haben doch noch den alten Campingkocher. Damit können wir unser Essen zubereiten“. Er lief in den Keller, stieß sich neun Mal an irgendwelchen Ecken, fand dann den Kocher und bereitet das Essen vor. „Ich habe noch zwei Kerzen in meinem Zimmer!“, rief Anna aus und eilte davon. Sie kam mit zwei großen Kerzen zurück. Eine stellte sich auf den Tisch und eine stelle sie in das große Fenster, welches zur Straße zeigte.
Nun war auch schon das Essen fertig und alle setzen sich an den gedeckten Tisch. Nach dem jeder eine Portion dampfender Nudeln auf dem Teller hatte, rief Arno prustend aus: „Also so dicht vor dem perfekten Weihnachtsfest waren wir noch nie!“ Und alle stimmten lachend mit ein.